Es war nicht geplant, aber an dem Thema „Nackte Haut“ habe ich mich etwas festgebissen. Man kann sich nun mal des Eindrucks nicht erwähren, daß sich dieses Jahr immer mehr Länder, nicht nur auf die Kraft ihrer Beiträge verlassen, was bei so manchem gerade im 2. Semi auch definitiv nicht reichen würde, und vermehrt auf „Sex Sells“ setzen.
Auch wenn das 2. Semi eher etwas züchtiger ist, starten gleich mal die Bubis von PeR mit offenen Oberteilen, die ihre Hühnerbrüste bestens in Szene setzen. Ansonsten erinnern die beiden mit ihrem Gehüpfe und den Frisuren eher an ein eine Mischung von Jedwards und Monchichi auf Extasy. Dabei dachte man doch, daß die irischen Flummies, was ihren Tanzstil betrifft, nicht mehr zu überbieten seien. Damit rocken sie jede Hüpfburg.
Absolut sehens- und hörenswert, neben dem diesjährigen Siegeltitel aus San Marino, ist der Beitrag aus Aserbaidschan. Schlicht und doch genial inszeniert fühlt man sich anfangs an den schwedischen Beitrag von 2011 erinnert, wo auch ein Glaskasten auf der Bühne stand. Aber während Eric Saade diesen am Ende seines Songs einfach nur zerdepperte, wird dieses Jahr Asthetik gepaart mit Athletik zelebriert. Starke Bilder zu einem starken Song.
Besondere Beachtung findet auch der Song aus Finnland, obwohl er von seiner Machart her eher der Kategorie „Banal“ zuzuordnen ist, zumindest außerhalb Finnlands. Da in Finnland das Thema „Gleichgeschlechtliche Ehe“ ganz aktuell ist, hat sich der Titel „Marry Me“ zur neuen Hymne der finnischen Homosexuellen entwickelt. Ein Umstand, dem auch die (heterosexuelle) Interpretin Rechnung trägt. Am Ende des Liedes kommt es zu einem heftigen Frauenkuss. Das ist nicht neu in der ESC-Geschichte, aber in diesem Kontext konsequent und nicht nur Effekthascherei.
Malta bietet einen schönen, netten Song ohne große Show. Dem Sänger sieht man den Gutmenschen an, was nicht böse gemeint ist. Zwischendurch wohltuend, ein Lied zu hören, das weder hochtrabend schwülstig, noch überdreht oder schrill klingt. „Tomorrow“ ist ein Gute-Laune-Song im besten Sinne des Wortes und so war auch die unaufdringliche Inszenierung die auf einer Parkbank endete.
Der griechische Beitrag, den ich eigentlich für unsäglich hielt, entwickelt sich in Malmö zum wahren Partyknüller und auch die Stimmung in der Halle war gigantisch, und das lag nicht nur an den Männerröcken…
Gleich nach den behaarten Beinen aus Griechenland, kommt wohl der tiefste Ausschnitt der ESC-Geschichte. Wenn ich schon ständig über nackte Haut, die vor allem die Männer heuer zeigen, berichte, darf das gigantische Dekolleté der Israelin nicht unerwähnt bleiben. Das ganze ohne jeglichen sexistischen Hintergedanken. Wer seine Oberweite derart offensiv in Szene setzt, darf sich nicht wundern, wenn darüber gesprochen und geschrieben wird.
Im Vorfeld wurde ja gemunkelt, die norwegische Sängerin würde sich nur deshalb auf der Bühne kaum bewegen, weil das enge Kleid das schlichtweg nicht zulässt. Nun wurde ihr ein langer Schlitz ins Kleid gemacht, dastehen wie eine Salzsäule tut sie trotzdem noch. Schade, das kraftvolle Lied verdient etwas mehr Bewegung auf der Bühne.
Und dann kurz vor Ende DER SKANDAL. Selbst die Heilsarmee, oops, Takasa mein ich, setzt auf den Hautfaktor. Die Schweizer Heilsbringer kommen, wie wir es nicht anders erwartet haben, zivil und züchtig auf die Bühne. Doch bei genauerem Hinsehen bemerkt man, das sich jeweils eine der Frauen und einer der Männer die Jeanshose hochgekrempelt hat, so das richtig Bein gezeigt wird. Ob das die eher lieblose Darbietung noch retten kann, ist fraglich.
Den Abschluß bildete Rumänien, ein Beitrag der polarisiert. Der Sänger singt hoch, sehr hoch, und das im wahrsten Sinne des Wortes. So hoch, daß unter seinem Rock, oder Kleid, oder wie auch immer man dieses Transenkostüm bezeichnen möchte (um keine Beleidigungen auszusprechen, Transe bezieht sich nur auf das Kostüm!) kommen dann noch fast nackte Tänzer beiderlei Geschlecht zum Vorschein. Ob das diesem Lied wirklich dienlich ist, sei mal ernsthaft in Frage gestellt.
Heute Abend das 2. Halbfinale auf Phoenix: Unbedingt anschauen, alleine schon wegen der bildgewaltigen Eröffnungsnummer „Dansande Orkester“.